Die unsichtbaren Räume der Kommunikation

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Februar 27, 2025
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In Organisationen gibt es Räume, die in keinem Architekturplan verzeichnet sind. Diese Räume sind unsichtbar und entstehen, wenn Menschen miteinander in Verbindung treten. Solche unsichtbaren Konversationsräume prägen, wie wir denken, sprechen und handeln. Und sind oft wirkmächtiger als jedes offizielle Strategiepapier. Wissen Sie, wo diese Räume liegen? Ein genauerer Blick lohnt sich.

Wenn Strategien an der Realität scheitern

Eine aktuelle Studie des MIT wirft ein spannendes Licht auf unsere Art und Weise, wie wir Probleme lösen: Selbst, wenn wir bereits eine erfolgreiche Strategie gefunden haben, wollen wir weiterhin nach alternativen Lösungen suchen. Diese neurologisch verankerte Tendenz zum Experimentieren ist evolutionär sinnvoll. Weil sie die Anpassung an sich verändernde Umweltbedingungen und das Entdecken möglicherweise noch besserer Ergebnisse fördert. Eine Fähigkeit, deren Entwicklung gerade in unserer Zeit besondere Aufmerksamkeit verdient. Oder?

Unsere natürliche Experimentierfreude kollidiert allerdings leicht mit den bereits etablierten Organisations-Strukturen. In solchen Konflikten zeigt sich ein klassisches Phänomen der Gruppenpsychologie: die Dynamik zwischen der eigenen Gruppe und den als fremd wahrgenommenen Gruppen. Also ‚wir‘ und ‚die Anderen‘. Wenn sich die Außenwelt nun ohnehin gefühlt schon im Stundentakt ändert, kann dann nicht wenigstens etwas im Bewährten so bleiben, wie es ist? Veränderungen sind anstrengend. Für manche mehr, für manche weniger. Das Vertraute überzeugt öfter. Besonders wenn der Druck steigt. Wer also vorschlägt, Neues zu versuchen, riskiert mitunter, als Störfaktor wahrgenommen zu werden – als jemand, der die Harmonie der Eigengruppe gefährdet. Wohin führt uns das?

Die Macht der Mikrointeraktionen

In jedem Unternehmen entwickeln sich spezifische Konversationsmuster. Diese entstehen nicht durch aufgesetzte Leitbilder oder Strategiepapiere, sondern werden durch tägliche Mikrointeraktionen geprägt.

Reagiert man auf einen unerwarteten Vorschlag mit echtem Interesse, öffnet sich der Raum für Innovation. Offene oder auch subtile Ablehnung hingegen kann alles verschließen. Nicht nur für den Moment, sondern auch für lange Zeit. Solche Erfahrungen – egal ob selbst erlebt oder nur gehört – prägen das kollektive Gedächtnis einer Organisation und entscheiden letztendlich über Stillstand oder Erfolg.

Mikrointeraktionen bestimmen also den Charakter unserer Kommunikation: Äußern Menschen ihre Gedanken frei oder halten sie sich zurück? Werden Experimente als Chance oder Störung wahrgenommen? Entstehen echte Dialoge oder bleibt es beim oberflächlichen Smalltalk?

Innovation als natürliches Prinzip

Die MIT-Studie verdeutlicht: Das Streben nach Exploration ist keine Abweichung, die es zu kontrollieren gilt – es ist ein wesentlicher Teil unseres Menschseins. Eine vitale Organisationskultur nutzt diese Energie der Experimentierfreude. Sie schafft Möglichkeiten, in denen sich die natürliche Neugier entfalten kann. Bietet Räume, in denen unbequeme Beobachtungen Gehör finden und optimale Lösungen weiterentwickelt werden. Genau dort kommt echter Fortschritt in Bewegung.

Peter Druckers vielzitierte Einsicht „Culture eats Strategy for breakfast“ wird somit greifbar: Eine Strategie kann noch so brillant sein – ohne eine Kultur des offenen Dialogs und des mutigen Experimentierens bleibt sie ausgebremst oder wirkungslos.

Transformation durch Dialog

Als Art- und Kreativdirektorin habe ich unzählige Kommunikationskonzepte gestaltet und begleite als Systemikerin strategische Veränderungsprozesse. Aus meiner Arbeit weiß ich: Die spannendsten Entwicklungen entstehen dort, wo Unternehmen bewusst Räume für echte Dialoge offenhalten. Wo Menschen ermutigt werden, auch unkonventionelle Ideen zu äußern. Wo das Experimentieren nicht nur geduldet, sondern aktiv gefördert und als wesentlicher Teil der Organisationsentwicklung verstanden wird.

Das bedeutet nicht, alle bewährten Strukturen über Bord zu werfen. Es bedeutet, bewusst Möglichkeiten zu schaffen, in denen sowohl Stabilität als auch Innovation ihren Platz finden. Wo in einem sicheren Rahmen die Spannung zwischen Bewahren und Erneuern proaktiv genutzt wird. Nicht nur für einen kurzen Augenblick, sondern fortwährend.

Der Weg zur dialogischen Organisation

Der Aufbau einer experimentierfreudigen Kommunikationskultur ist selbst ein Experiment. Er erfordert Mut, Geduld und vor allem: ein reflektiertes und tiefes Verständnis der spezifischen Organisationsdynamik und individuellen Anforderungen. Jedes Unternehmen hat seinen eigenen Rhythmus, seine eigene Geschichte, seine besonderen Herausforderungen – und wird belebt durch Menschen mit ihren vielfältigen Talenten und Erfahrungen.

In den unsichtbaren Räumen der Kommunikation steckt aber weit mehr als gegenseitiges Verständnis und konstruktiver Austausch. Sie sind ein bedeutender Faktor für wirtschaftlichen Erfolg: Mangelnde oder gestörte Kommunikation führt zu Missverständnissen, verzögerten Entscheidungen, demotivierten Mitarbeitenden, Führungsfehlern oder verpassten Chancen. Wer diese Räume ignoriert, verschwendet nicht nur Energie, sondern auch Geld. Kann also richtig teuer werden.

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Mit den besten Wünschen
Claudia Gilhofer

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Erstveröffentlichung des Beitrags am 21. Februar 2025 auf www.gilcom.vision
Link zum Blogcast: https://www.gilcom.vision/blog/2025/02/21/die-unsichtbaren-raeume-der-kommunikation/

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